Attraktionen! Attraktionen!

Kolumne Wortwörtlich

BirsMagazin 2/2023

Von Jürg Seiberth

Wer etwas verkaufen will, braucht eine Attraktion, die die Leute anzieht. Tiefe Preise und vermeintliche Geschenke sind geistlos. Fantasievoller sind Attraktionen für Kinder: die Rutschbahn vom sechsten Stock bis in den Soussol oder diese Helikopter, Jeeps oder Goldwürste, in die man Münzen wirft, damit sie die Kinder durchschütteln. Wo sich die Kinder wohlfühlen, fühlt sich die ganze Familie wohl und wer sich wohlfühlt, kauft.

Ich ging als Kind am liebsten zu Kleider Frey am Barfüsserplatz. Zuerst kam das Anprobieren zahlloser kratziger Sonntagskleider. Dann kam die Belohnung: Goldmünzen, die man in eine Ecke des Ladens trug, wo man, beaufsichtigt von einem distinguierten Herrn, mit einem Luftgewehr schiessen durfte, das aussah wie ein echter Armeekarabiner. Wenn man viele Goldmünzen hatte und gut traf, konnte man ein Velo gewinnen. Ich gewann nur Trostpreise, zum Beispiel einen kleinen, in Glas gegossenen Goldfisch, den ich eklig fand, aber trotzdem lange in Ehren hielt.

Sehr fantasievoll finde ich die Idee des Musikladens MusikMotiv am Mattweg 14 in Arlesheim. Attraktiv ist schon das originelle Angebot des Ladens für grosse und kleine Leute, die ein Instrument spielen, und für Leute, die sich (nur) für musikalische Spielereien interessieren.

Die wirkliche Attraktion entsteht jedoch im Nebenraum: eine wunderbare Modellversion der Rhätischen Bahn. Die Gleise führen durch malerische Landschaften, durch Tunnels und über Brücken, und sie schrauben sich mit vielen Kurven in halsbrecherische Höhen. Zurzeit ist die Anlage noch eine Baustelle, aber man kann sie schon besichtigen. Im Sommer, wenn alles fertig ist, werden die Besucherinnen und Besucher sich höchstpersönlich in den Führerstand schwingen, respektive an die Digitale Schaltzentrale setzen dürfen. Ich denke, das wird die neue Attraktion in Arlesheim, für grosse und kleine Leute, die nur spielen wollen und sich (noch nicht) für Musik interessieren.

Seabirds

Corinna (Voc) und Jürg (Git) Seabird

Corinna und Jürg Seabird kennen sich schon von Anfang an und sie machen schon sehr lange Musik zusammen. Immer mit grosser Freude und so gut sie können. Sie haben schon alles mögliche ausprobiert, es gab auch Soloprojekte und Projekte mit anderen Bands. Gerne kommen sie mit ihren – und hoffentlich auch Ihren – Lieblingsliedern von Frau Joplin, Herrn Dylan, Frau Jones und anderen. Dazwischen führt Jürg Müsterchen aus seinen Liedermacherjahren und aus seinem kabarettistischen Praktikum vor. Und sie bringen auch Lieder mit, die sie in Schottland und Irland aufgeschnappt haben. Sie freuen sich auf Auftritte aller Art.

Seabirds mit Jürg Georg Müller (Geige) „Charly“
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Defluencing

Apropos Defluencing. Wir haben schon 2006 einen Dongl erfunden, der vor Fehlkäufen warnt. Damals gab es noch keine Influencer und schon gar keine Defluencer. Wir waren zu früh: Weder der Dongl noch unser Song haben sich auf dem Markt durchgesetzt. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, wieder einmal darauf hinzuweisen.

Die Seabirds waren damals Teil einer “Projektband für satirische Mini-Musicals” namens Senor Presidente:

 

  • Florian Volkmann: Gesang, Komposition, Arrangement, alle Instrumente,
  • Jürg Seiberth: Text, Gesang,
  • Corinna Seiberth: Idee, Gesang

Frohe Ostern!

Zwei Osterbilder von Helga Seiberth. Eines davon entstand in intensiver Zusammenarbeit mit unserem Grosskind. – Rate welches. Übrigens: Auf meiner Website www.seiberth.ch gibt es jetzt einen “Translate”-Knopf, wenn der gedrückt wird, übersetzt Google alles.

Deux images de Pâques de Helga Seiberth. L’une d’entre elles a été réalisée en collaboration intensive avec notre petite fille. – Devine lequel. À propos : sur mon site www.seiberth.ch, il y a maintenant un bouton “Translate”, si on appuie dessus, Google traduit tout.

Two Easter pictures by Helga Seiberth. One of them was created in intensive collaboration with our grandchild. – Guess which one. By the way: On my website www.seiberth.ch there is now a “Translate” button, when pressed, Google translates everything.

Freudige Erwartung

Ding Dong – Ding Dong – wer steht dort vor der Tür?
Vielleicht ist es der Postillion und bringt Millionen mir!
(Erste Allgemeine Verunsicherung, Ding Dong, 1990)

Was erwartet mich vor der Tür? – Was erwarte ich vor der Tür? – Warten ist eine ausgesprochen passive Tätigkeit; die Vorsilbe „er-“ drückt eine zielgerichtete Handlung aus. „Er-warten“ ist also in sich widersprüchlich: eine zielgerichtete passive Tätigkeit, eine zielgerichtete Nicht-Tätigkeit. Deshalb nervt die Erwartungshaltung so: Jemand erstarrt in passiver Haltung, tut nichts und will doch etwas ganz Bestimmtes erreichen. Wir bevorzugen das Gegenteil: das proaktive Machen. Doch auch das Erwarten ist ein bewährter Weg.

Vor langer Zeit stand der Mensch weit unten in der Nahrungskette. Er war damals ein dösendes Wesen. Ein junger Mensch zum Beispiel hing im Geäst eines Baumes, blinzelte in die Steppe hinaus und wartete. Wenn sich irgendwo etwas bewegte, wurde er ein wenig wacher und überlegte, was ihn erwartete und was er erwartete: die Mama mit einer süssen Frucht oder die Raubkatze mit knurrendem Magen. Davonlaufen hatte keinen Sinn, denn die Raubkatze kann doppelt so schnell rennen wie ein junger Mensch und sie kann mindestens gleich gut klettern. War es die Mama, konnte das Davonlaufen überdies die süsse Frucht kosten; also abwarten und weiterdösen. Einige Jahrtausende später entdeckte und kultivierte der Mensch das Planen. Damit konnte er sich in der Nahrungskette hinaufarbeiten bis an die Spitze. Seither heisst die Devise proaktiv planen statt erwarten und machen statt dösen.

Das Erwarten hat keinen guten Ruf. Doch gewisse Ziele kann man nur durch Erwarten erreichen. Die Idee zu einer Kolumne zum Beispiel kann ich nicht proaktiv planen; ich kann auch nicht einfach darauf warten; ich muss sie geduldig erwarten und hoffen, dass sie vor dem Redaktionsschluss ein.

(Kolumne “wortwörtlich”, BirsMagazin 1/2023