Vor 25 Jahren: der Butt

Apropos 2020: Weshalb hängt wohl dieses merkwürdige Bild am Badhof? Die Ortskernkommission war skeptisch, erlaubte uns aber, das Bild des Spraykünstlers Josef Hugentobler 1995 für einen Monat aufzuhängen, während der Spieldauer des Theaterstücks “1945 Männerchor und Frauenstreik”. Das Bild blieb hängen – 25 Jahre lang – und es wird wohl noch länger bleiben.  Das Theaterstück war eine Produktion von “Theater auf dem Lande” und es erinnerte an das Kriegsende vor 50 Jahren. In Arlesheim war das Jahr 1945 in vielerlei Hinsicht interessant. Die Kriegserfahrungen wurden verarbeitet, in der Spinnerei Schappe streikten die Frauen und der Männerchor feierte seinen 100. Geburtstag. Ja, und Cagliostro und der Butt aus dem Märchen vom Fischer und seiner Frau spielten auch eine Rolle.

Über das Theaterprojekt wurde in der ganzen Schweiz berichtet, teils skeptisch, teils begeistert, sogar in der NZZ und im Tages-Anzeiger.  Das Schweizer Fernsehen brachte einen ausführlichen Bericht in der Sendung “Schweiz aktuell”.  (Schweiz aktuell – Männerchor und Frauenstreik – Play SRF),  die Reaktionen im Dorf waren auch vielfältig, wir waren wohl zu früh mit unserem Projekt, die Rolle der Schweiz nach dem Krieg war 1995, 50 Jahre nach dem Kriegsende, noch mit einem Tabu belegt. Es lebten noch viele Zeitzeugen und die waren überzeugt, dass die Schweiz und die Schweizer immer auf der richtigen Seite gestanden waren und sich nichts zu Schulden hatten kommen lassen. In den Zeitungen aus der Nachkriegszeit konnte und kann man die Namen der Personen schwarz auf weiss lesen, die mit den Nazis kollaboriert hatten, aber die Autoren des Stückes (Ruedi Brassel und ich) nannten natürlich keine Namen, wurden aber anlässlich von Podiumsdiskussionen wie Nestbeschmutzer behandelt. Die «Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg» wurde erst 1996 installiert und veröffentlichte ihren Schlussbericht 2001. Ebenfalls 1996 begannen die Welt und insbesondere die USA ihr Augenmerk auf die Schweiz zu richten, auf «das stillschweigende Einbehalten nachrichtenloser jüdischer Vermögen durch Schweizer Banken». Heute, 75 Jahre nach dem Kriegsende, wird diese Epoche ganz anders wahrgenommen und ich staune, was alles berichtet wird und werden kann und akzeptiert wird. Ich denke zum Beispiel an die Schweizer Fernsehserie “Frieden”, die dieses Jahr gesendet wurde und ich die allen empfehle, zu sehen auf der kostenlosen SRG-Streamingplattform www.playsuisse.ch 

Was es 1995 allerdings nicht gab, war die unverhohlene Nazisympathie, die heute vielerorts aufkeimt. Das finde ich bedrohlich, bedrohlicher als die damaligen Heldengefühle der Schweizer Veteranen.

Zum Bericht in “Schweiz aktuell”: Das Team des Schweizer Fernsehens war damals eine Woche lang in Arlesheim und hat äusserst sorgfältig gearbeitet. Im Zentrum der Sendung stehen historisch wertvolle Interviews mit Zeitzeug*innen. Mit der Textilarbeiterin Berta Henner, die sich noch genau an den Streik erinnert und mit Hans Röthlisberger,  Gewerkschafter, Sozialdemokrat, Landrat und Gemeinderat und Schulrat in Arlesheim.

Für das 100 Jahr Jubiläum der SP Arlesheim 2019 habe ich die Informationen zum Frauenstreik (Frauenstreik_Schappe_100J_SPA) zusammengefasst. 

Die Liste der Mitwirkenden am Theaterstück “1945 Männerchor und Frauenstreik” (MCundFS_1945) findest du hier.